Ich will doch einfach nur, dass jemand mich sieht

Siehst du denn nicht, wie viel ich gebe, wie viel ich trage, jeden Tag, wie sehr ich es versuche?
Und trotzdem ist sie besser als ich, ist schon viel weiter, hat mehr, wirkt immer so sortiert und aufgeräumt. Während mein Leben steht.

Wo soll ich denn noch suchen, was soll ich denn noch machen, damit es endlich auch bei mir vorangeht?

Zwischen Zigaretten

Wie eine Sucht ist das, die Suche nach Anerkennung, Bestätigung, nach der Antwort auf „Hab ich das gut gemacht? Oder kommt gleich jemand um die Ecke, die besser ist als ich?“ Intelligenter, schöner, unkomplizierter, attraktiver, besser im Bett – you name it.

Wie mit dem Rauchen ist das. Eine Zigarette ist nie genug. Kurz ist zwar Ruhe, dann geht die Suche nach Bestätigung von vorne los. Einmal war ich vielleicht gut genug – aber jetzt?

Alte Kreise kann ich nur selbst aufbrechen.

Also ziehen wir weiter unsere Kreise in den Meinungsräumen der anderen, in deren Erwartungen, deren Einschätzungen.

Erfolg im Außen baut Druck auf, nicht ab.

Noch eine Schicht tiefer ist es ja sogar so: Je weniger ich zeige, von mir, desto weniger erwartest du. Und dann überraschst du dich, ab und zu, mit dem, was eben doch in mir steckt.

Jetzt kommt aber die Krux: Sich nicht zeigen können, wie wir sind, das baut auch Druck auf. Im Innen. Und der Schuh fängt spätestens in der Lebensmitte an zu drücken, und zwar richtig.

Und während wir daran verzweifeln, woher dieser Druck kommt und was wir mit ihm machen, warten wir eigentlich nur auf eine einzige Anerkennung: Die, die wir als Kinder hätten bekommen sollen. Damals. Ganz am Anfang. Als unser Ich sich geformt hat.

Anerkennung nicht dafür, dass wir immer alles richtig gemacht hätten – das wäre ja Quatsch. Es geht im Leben nicht um richtig oder falsch. Es geht immer ums Versuchen, Lernen, Ausprobieren.

Leben heißt: Ausprobieren.

Aber unsere Suche nach gesunder Resonanz konkurriert in der Kindheit mit einem einzigen, unserem stärksten Wunsch: Wir wollen dazugehören. MÜSSEN sogar dazu gehören, um versorgt zu sein.

Der Preis ist mitunter sehr hoch. Nicht zu anders sein, nicht die Schwester in den Schatten stellen, lieber nicht mehr erreichen als Mama oder Papa. Oder ins Gegenteil fallen und ihre Träume stellvertretend leben.

Oder immer dafür sorgen, dass die Harmonie in der Familie (wieder) hergestellt ist – wenn auch nur für einen Moment.

Wenn das unsere Aufgabe wird, entwickeln wir ein instabiles Referenzsystem. Und bleiben abhängig von der Frage: „Konnte ich den anderen beruhigen? War sie zufrieden mit mir?“

Was passiert, wenn wir das komplett loslassen? Wenn wir nichts und niemanden mehr brauchen, um uns anzuerkennen und zu bestätigen?

Wo ist mein Norden?

Was, wenn’s doch geht? Nur anders, eben. Nämlich, indem wir unseren Referenzrahmen verschieben.

Und uns nur noch fragen: „Wer möchte ich sein? WIE möchte ich sein?“

Ja, aber … Braucht es denn dann gar kein gesellschaftliches Korrektiv mehr?

Würde die Welt aus den Angeln fallen, wenn wir alle machen würden, was tief in uns verankert ist?

Oder schwanken wir nicht viel mehr dann, wenn wir tausend Dinge tun sollen, die wir gar nicht wollen?

Ausdruck braucht Räume und Resonanz, so wie Kunst Bühne braucht. Sprecher:in braucht Zuhörer:in. Und Liebe mag bei mir anfangen, kann aber da nicht aufhören.

Wir brauchen einander, ob wir wollen oder nicht. Nur eben anders.

Zwischen Resonanz und Bewertung liegen ganze Welten.

Resonanz hört zu, versteht, antwortet auf Augenhöhe. Bewertung wertet – ob auf oder ab, es bleibt dieselbe schiefe Linie.

Was passiert also, wenn wir alles, was andere über uns denken, hinterfragen?

Was bleibt dann? Wer bin ich dann – und wie viel könnte ich sein?

Was passiert, wenn wir in unsere eigene Größe hineinwachsen?

Ja. Was passiert dann?