Da ist sie, die Lebensmitte. Kaum noch Weißraum im Kalender,
dafür umso mehr Lücken auf der inneren Landkarte. Und alles hängt
irgendwie zwischen nicht mehr und noch nicht. Nicht mehr blutjung,
noch lange nicht alt.
Was machen wir denn jetzt am besten mit den Zwischenjahren?
Was machen wir denn jetzt mit den Zwischenjahren?
Was sind das eigentlich für Jahre gerade. Lebensmitte. Kaum noch Weißraum im Kalender. Stattdessen tausend Zwischenräume auf der inneren Landkarte. Und das alles in einer Welt, die ohnehin wankt, schwankt, gefühlt ganz kurz davor ist, sich selbst aus den Angeln zu heben.
Krisen so weit das Auge reicht. Und alles hängt irgendwie fest, zwischen nicht mehr und noch nicht. Irgendwas drückt sich immer nach vorne, will raus, ist nicht mehr kompromissbereit. Und lässt sich gleichzeitig noch nicht greifen. Weiß ich überhaupt noch, wer ich bin und was ich will vom Leben?
Weißt du es noch?
Vielleicht ist es auch einfach an der Zeit, die Weichen komplett neu zu stellen. Weil’s vielleicht gar keine Krise ist, sondern die schönste Chance des Lebens.
„The first half of life is devoted to forming a healthy ego, the second half is going inward and letting go of it.“
– Carl Jung
Ich glaube, dass das stimmt. Nicht als Fakt. Aber als Aufgabe. Weil klar, so leicht und ohne Widerstand lässt sich das mühsam aufgebaute Ego dann auch wieder nicht ins Bockshorn jagen. Bissl ruckeln muss es schon im Getriebe, sonst hätte die Lebensmitte sich nie als Krise etablieren können.
Es braucht sie, die Zwischenjahre. Um sich selbst neu zu finden und dem Ego auf Nimmerwiedersehen zu sagen.
Das ist aber nicht so leicht, weil da ist ja nicht zuletzt auch die Erinnerung. An ein Früher, das sich mit goldenem Stift in unsere Köpfe geschrieben hat. Und sich im Körper nach Sehnsucht anfühlt. Eine Sehnsucht nach Rausch, verantwortungsloser Freiheit, zügelloser Unvernunft. Als wir den Alltag an der Garderobe abgegeben haben, um uns an der Theke immer wieder neu zu erfinden. Ein bisschen Reiz, ein bisschen Drama, ein bisschen die Welt verrücken.
Aber alles hat seine Zeit. Und jetzt ist Zeit für die Frage, was in uns steckt, wenn wir uns selbst gegenüber kompromisslos werden. Wie ein Leben aussehen könnte, das wir nicht mehr abgeben wollen.
All das drängt sich durch die Zwischenjahre.
Wer bin ich jetzt, ein halbes Leben, nachdem alles begann? Wenn die ersten großen Stationen abgefahren sind, die ersten Abschlüsse in der Tasche, Berufe ausprobiert, Beziehungen erfahren, Kinder geboren?
Und jetzt? Weiß ich noch, was das Ziel war? Kann ich es überhaupt schon kennen?
Ich selbst weiß das noch nicht so genau. Zu sehr entdecke ich mich gerade neu, räume innerlich auf, bin manchmal überrascht von meiner Angst und an anderen Tagen von meinem Mut. Stück für Stück versuche ich, mir selbst auf die Schliche zu kommen. Hab ich zu viel verpasst? Bin ich zu spät dran? Oder kommen gerade jetzt meine fetten Jahre?
Was ich sicher weiß, ist das: Da geht noch was. Da ist noch was. Und das will jetzt raus. MUSS jetzt raus. Es ist eine Essenz, eine Haltung, ein Kern. Etwas, das mich von innen zusammenhält und dabei keinen Stein auf dem anderen lässt. Endlich sein, wer ich bin. Tiefer leben, mehr wollen und schlimmstenfalls nur noch auf mich selbst zurückfallen. Weil ich nirgendwo anders mehr landen will. Nicht in den Erwartungen der anderen, nicht im Segen meiner Eltern, nicht mal mehr auf dem Bild, das ich so lange von mir selbst hatte.
Weil ich mich immer öfter frage, woher dieses Bild eigentlich kommt. All die vielen Geschichten über mich, wer ich bin und wie ich schon immer war, vielleicht stimmen die ja gar nicht. Und wenn nicht – was dann?
Dahin zieht’s mich. In die kompromisslose Ehrlichkeit.
Dorthin, wo wir unsere eigenen Wellenbrecher werden.
Da will ich hin.
Muss nur noch rausfinden, wie.
Diese Website verwendet Cookies.
Einige sind essenziell, andere helfen mir, dein Erlebnis zu verbessern.
Du entscheidest, was du zulässt.